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§ 93 UrhG - Schutz gegen Entstellung; Namensnennung


(1) Die Urheber des Filmwerkes und der zu seiner Herstellung benutzten Werke sowie die Inhaber verwandter Schutzrechte, die bei der Herstellung des Filmwerkes mitwirken oder deren Leistungen zur Herstellung des Filmwerkes benutzt werden, können nach den §§ 14 und 75 hinsichtlich der Herstellung und Verwertung des Filmwerkes nur gröbliche Entstellungen oder andere gröbliche Beeinträchtigungen ihrer Werke oder Leistungen verbieten. Sie haben hierbei aufeinander und auf den Filmhersteller angemessene Rücksicht zu nehmen.

(2) Die Nennung jedes einzelnen an einem Film mitwirkenden ausübenden Künstlers ist nicht erforderlich, wenn sie einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeutet.


I. Überblick

Die hohe Komplexität des Herstellungsprozesses eines Filmwerkes, in den eine Vielzahl von Personen ihre künstlerischen und schöpferischen Geschicke einbringen, hat den Gesetzgeber veranlasst, diese Werkkategorie mit einer besonderen Regelung zu bedenken. Das Ziel dieser Regelung – die Erleichterung des Verwertungsprozesses zugunsten des Filmherstellers – erfordert auch Einschränkungen im Bereich des Urheberpersönlichkeitsrechts beziehungsweise des Persönlichkeitsrechts der ausübenden Künstler.

Abs. 1 ergänzt die Regelung des § 39 UrhG im Bereich der Filmwerke. Die nach §§ 14 und 39 UrhG vorzunehmende Interessenabwägung führt nur noch in Fällen gröblicher Beeinträchtigungen zu einem Verbot. Gleiches gilt im Verhältnis zu § 75 UrhG.

Satz 2 des ersten Absatzes stellt lediglich klar, dass das Prinzip der Interessenabwägung weiterhin Anwendung findet. Dabei wird darauf hingewiesen, dass auch die Interessen des Filmherstellers zu beachten sind, was sich aber schon aus Treu und Glauben innerhalb des § 39 UrhG ergibt.

Wer als Urheber oder ausübender Künstler seine Leistungen für die Verarbeitung in einem Film freigibt, muss schon allein aus diesem Grunde mit deutlichen Änderungen rechnen, denn der Prozess der Filmherstellung bringt viele und umfangreiche Modulationen der einzelnen Beiträge mit sich. Bei der Verfilmung eines Romans müssen Handlungsabschnitte gekürzt und Charaktere gestrichen werden, um die Filmlänge auf ein realistisches Maß zu begrenzen. Die Filmmusik wird ausschnittsweise an die jeweiligen Szenen angepasst. Durch den Schnitt werden sämtliche Beiträge, vor allem die der Schauspieler, weiter bearbeitet. Dass hier nicht jeder einzelne Beteiligte seine Rechte auf Kosten der anderen durchsetzen kann sondern vielmehr gegenseitige Rücksichtnahme gefragt ist, ergibt sich bereits aus dem gemeinsamen Vertragszweck. § 93 UrhG ist somit genau genommen das Ergebnis einer durch den Gesetzgeber vorweggenommenen Interessenabwägung.

II. Entstellungsschutz

1. Bestehen einer Nutzungsrechtseinräumung

Die Anwendung des § 93 UrhG setzt voraus, dass der betroffene Urheber oder ausübende Künstler das Recht zur Verfilmung seines Werkes oder seiner Leistung eingeräumt hat. Es besteht ein enger Zusammenhang zu § 39 UrhG. Vertragliche Regelungen haben deshalb grundsätzlich Vorrang. Ist die fragliche Änderung im Vertrag ausdrücklich oder stillschweigend vorgesehen, kann der Urheber beziehungsweise ausübende Künstler nicht gegen sie vorgehen (mehr zum Änderungsverbot in vertraglichen Beziehungen mit dem Urheber in der Kommentierung zu § 39 UrhG). Das Urheberpersönlichkeitsrecht ist gemäß § 39 Abs. 1 UrhG dispositiv, die Grenze bildet nur dessen unveräußerlicher Kernbereich. Ist der Nutzungsvertrag mit dem Filmhersteller nichtig, kommt allein die Anwendung der §§ 14 UrhG beziehungsweise 75 UrhG in Betracht.

2. Gröbliche Entstellung oder andere gröbliche Beeinträchtigung

Die Begriffe der gröblichen Entstellung und der gröblichen Beeinträchtigung sind nicht als Tatbestandsmerkmale aufzufassen, sondern nur richtungsweisend im Sinne einer Interessenabwägung unter höher gelegter Messlatte (Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG, § 93 Rn. 10). Der Begriff der Entstellung oder anderen Beeinträchtigung entspricht somit der Regelung des § 14 UrhG, auf dessen Kommentierung verwiesen wird.

3. Interessenabwägung

Für die Interessenabwägung gilt zunächst das in den Kommentierungen zu §§ 14 und 39 UrhG Gesagte. Der Vertragszweck bestimmt Art und Maß der zulässigen Änderungen. Die Interessen des Urhebers oder ausübenden Künstlers werden jedoch insoweit zurückgestellt, als diese nur gröbliche Beeinträchtigungen verbieten dürfen. Dies ändert jedoch nichts an dem Grundsatz, dass nur solche Änderungen zulässig sein können, die für eine ordnungsgemäße Verwertung auch tatsächlich notwendig gewesen sind. Nicht notwendig sind beispielsweise Nachkolorierungen von Schwarz-Weiß-Filmen, denn eine Verwertung ist auch ohne diese Änderung ohne weiteres möglich (Schulze in Dreier/Schulze § 93 Rn. 9).

Die Herstellung eines Filmes durchlebt verschiedene Phasen. In welcher dieser Phasen es zu Änderungen kommt, ist auch für die Interessenabwägung von Bedeutung. In der ersten Phase wird das visuelle und auditive Grundmaterial durch Dreharbeiten, Tonaufnahmen, Zeichen- und Computeranimation erstellt. Dabei werden vorbestehende Werke verfilmt, wie etwa ein Roman oder Drehbuch sowie Comic- oder Grafikvorlagen der handelnden Charaktere und Filmkulissen. Für die vorbestehenden Werke ergibt sich die Änderungsbefugnis bereits aus § 88 UrhG, welcher Bearbeitungen im Zweifel zulässt. Nachdem das Grundmaterial des Films erstellt worden ist, werden die einzelnen Fragmente in der Schnittphase zu dem eigentlichen Film zusammengesetzt. Vor allem die Beiträge der ausübenden Künstler können in dieser Phase erhebliche Änderungen erfahren. Sowohl in der ersten als auch in der zweiten Phase hat der Regisseur einen bedeutenden künstlerischen Spielraum. Die Rolle eines Darstellers oder das Wesen eines verfilmten Werkes darf jedoch nicht durch Änderungen einen völlig anderen Sinn bekommen (OLG München GRUR 1985, 461 – Die unendliche Geschichte). Die dritte Phase kann als Verwertungsphase bezeichnet werden. Sie beginnt mit der Fertigstellung des Films, über die der Regisseur entscheidet (§ 12 UrhG). Nach der Fertigstellung kann es zu Änderungen in Form von Übersetzungen und Synchronisationen oder Anpassungen aus Jugendschutzgründen kommen. Entsprechende Befugnisse können sich bereits aus § 89 Abs. 1 UrhG ergeben. Änderungen sind in dieser Phase grundsätzlich auf das notwendige Maß unter angemessener Berücksichtigung der Interessen des Filmherstellers zu beschränken. Gröbliche Entstellungen können durch erhebliche Kürzungen der Endfassung oder sinnentstellende Übersetzungen entstehen (Kürzung um ein Sechstel der Gesamtspielzeit: LG Berlin, ZUM 1997, 758; um ein Drittel: OLG Frankfurt GRUR 1989, 205 – Wüstenflug).

III. Recht auf Namensnennung ausübender Künstler

Abs. 2 schränkt das Recht des ausübenden Künstlers auf Namensnennung (§ 74 Abs. 1 UrhG) ein. Sie entspricht der Regelung des § 74 Abs. 2 UrhG und trägt dem Umstand Rechnung, dass im Filmbereich in der Regel keine Künstlergruppen bestehen (Schulze in Dreier/Schulze § 93 Rn. 18).