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§ 9 UrhG - Urheber verbundener Werke


Haben mehrere Urheber ihre Werke zu gemeinsamer Verwertung miteinander verbunden, so kann jeder vom anderen die Einwilligung zur Veröffentlichung, Verwertung und Änderung der verbundenen Werke verlangen, wenn die Einwilligung dem anderen nach Treu und Glauben zuzumuten ist.


I. Die Werkverbindung

Der geistige Schaffensprozess unter Beteiligung mehrerer kennt vielfältige Formen und Spielarten. Die Werkverbindung ist eine davon. Andere sind etwa die Bearbeitung (§§ 3, 23 UrhG), die Miturheberschaft ( § 8 UrhG) und das Sammelwerk (§ 4 UrhG).

Die Werkverbindung beruht auf einer Entscheidung (der Urheber). Dies unterscheidet sie von der Miturheberschaft, denn diese ist ein unmittelbares Produkt der Schöpfung (zum Schöpferprinzip vgl. § 7 UrhG). Bei der Werkverbindung dagegen ist der Schöpfungsprozess bereits abgeschlossen. Sie setzt (mindestens) zwei bereits bestehende Werke voraus welche in einem weiteren Akt zusammengeführt werden. Die Werkverbindung ist somit eine Vereinbarung. Sie erzeugt dementsprechend in erster Linie schuldrechtliche Wirkungen, während die Miturheberschaft dinglicher Natur ist.

Die Werkverbindung ist keine Verschmelzung, bei der die eingebrachten Faktoren eine nicht wieder auflösbare neue Form annehmen, sondern vielmehr eine Verkoppelung, eine Allianz, die jederzeit aufgelöst werden kann. Noch mehr: die Werkverbindung lässt es sogar zu, dass die in ihr zusammengefügten Werke auch weiterhin separat verwertet werden.

1. Mehrere Urheber

Die Rechtsfolgen, die § 9 UrhG auslöst, sind auf eine Werkverbindung von Werken mehrerer Urheber zugeschnitten. So können diese Rechtsfolgen denn auch nur eintreffen, wenn mehrere Urheber ihre Werke verbunden haben.

Dies lässt jedoch die Frage außen vor, ob ein einzelner Urheber mehrere seiner eigenen Werke miteinander verbinden kann und welche Rechtsfolgen sich von solch einer Verbindung ableiten. Es wird vertreten, dass ein Urheber seine eigenen Werke nicht allein verbinden könne. Die Auffassung beruft sich dabei auf den Wortlaut und die Funktion des § 9 UrhG, übersieht dabei jedoch, dass die Vorschrift allein die Rechtsbeziehungen zwischen mehreren Urhebern verbundener Werke regelt, und somit zu der Frage, ob ein Urheber auch allein eine Verbindung ihm gehörender Werke vornehmen kann, keine Aussage enthält. Ähnlich ist § 23 UrhG im Hinblick auf die Bearbeitung ausgestaltet. Nichtsdestotrotz ist klar, dass es einem Urheber unbenommen bleibt, seine eigenen Werke zu bearbeiten. In diesem Fall ist § 23 UrhG gegenstandslos, da alle Rechte in einer Hand vereint sind. Warum soll dann ein Urheber nicht auch selbst eigene Werke zu einer Verwertungseinheit verbinden können. Konsequenzen ergeben sich daraus freilich zu Lebzeiten des Urhebers nicht, können jedoch für die Erben entstehen, so etwa wenn der Urheber die von ihm verbundenen Werke unterschiedlichen Personen vererbt. Diese sind dann an die Entscheidung des Urhebers gebunden.

2. Ihre Werke

Verbunden werden können nur Werke, also persönliche geistige Schöpfungen i.S.d. § 2 Abs. 2 UrhG. Die Verbindung mit sonstigen Beiträgen, die keine Werkqualität erreichen, vermag somit nicht die Rechtsfolgen des § 9 UrhG auszulösen. Dasselbe gilt für Verbindungen mit Werken, deren Schutzfrist bereits abgelaufen ist (vgl. § 64 UrhG ff.).

Es müssen mindestens zwei eigenständige Werke vorliegen. Dies ist der Unterschied zur Miturheberschaft, bei der insgesamt nur ein Werk, aber mit mehreren Urhebern, vorliegt - die einzelnen Beiträge der Miturheber können isoliert nicht verwertet werden (Zur Abgrenzung vgl. Kommentierung zu § 8 UrhG II. 2b). Die Notwendigkeit mindestens zweier eigenständiger Werke unterscheidet die Werkverbindung auch von der Bearbeitung, welche ebenfalls nicht eigenständig ist, sondern abhängig vom Ursprungswerk, denn löst man das Ursprungswerk aus der Bearbeitung heraus, so bleibt nichts übrig, was in sich verständlich wäre, denn die Bearbeitung baut auf dem Ursprungswerk auf. Anders bei der Werkverbindung. Die verbundenen Werke sind völlig eigenständig. Nimmt man eins weg, so bleibt dennoch ein zweites, in vollem Umfang verwertungsfähiges Werk stehen.

3. Zu gemeinsamer Verwertung miteinander verbunden

Die Werkverbindung entsteht durch eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Urhebern. Es gelten die allgemeinen Grundsätze der Vertragslehre. Es gilt Vertragsfreiheit. Eine bestimmte Form ist nicht vorgeschrieben, die Vereinbarung kann also auch mündlich oder stillschweigend erfolgen. Der Vertrag hat die gemeinsame Verwertung der verbundenen Werke zum Inhalt. Die Verwertung kann zeitlich, räumlich und gegenständlich (auf bestimmte Verwertungsrechte) beschränkt werden. Fehlt es an einer Beschränkung oder ist eine Beschränkung unvollständig oder mehrdeutig, so gilt die Zweckübertragungslehre (§ 31 Abs. 5), das heißt, im Zweifel erfolgt eine Rechtsübertragung nur in dem Umfang, der zur Erreichung des Vertragszwecks zwingend erforderlich ist.

Von den Sammelwerken (§ 4 UrhG) unterscheidet sich die Werkverbindung dadurch, dass bei jenen eine Vereinbarung nicht zwischen den Urhebern der einzelnen Beiträge getroffen wird, sondern nur zwischen Urheber und Herausgeber des Sammelwerks (Dreyer in HK-UrhR § 9 Rn. 12). Das Gleiche gilt für bloße Sammlungen von Werken wie z.B. in Zeitungen und Zeitschriften. Man spricht in diesen Zusammenhängen von "faktischen Werkverbindungen", bei denen die Urheber keine unmittelbaren Ansprüche auf Einwilligung zur Veröffentlichung etc. gegeneinander haben, es bestehen allein vertragliche Ansprüche gegen den Herausgeber oder Verleger (Thum in Wandtke/Bullinger, UrhR § 9 Rn 12). § 9 UrhG findet in diesen Fällen keine Anwendung.

II. Rechtsfolgen der Werkverbindung

Die Werkverbindung begründet ein schuldrechtliches Vertragsverhältnis. Des Weiteren gehen regelmäßig auch dingliche Wirkungen von ihr aus durch die Einbringung von Verwertungsrechten. Nichtsdestotrotz bleibt jeder Urheber im vollen Umfang Inhaber seines Urheberrechts. Er kann weiterhin rechtswirksam urheberrechtliche Verfügungen, wie etwa die Einräumung von Nutzungsrechten, bewirken, selbst wenn dadurch die gemeinsame Verwertung beeinträchtigt wird. § 9 UrhG räumt den Urhebern lediglich einen Anspruch auf Einwilligung in die Verwertung, Veröffentlichung oder Änderung der verbundenen Werke ein. Alle darüber hinausgehenden Rechte, etwa ein Konkurrenzverbot oder Schadensersatzansprüche bei einer Beeinträchtigung der gemeinsamen Verwertung, bedürfen einer ausdrücklichen Regelung im Vertrag über die Werkverbindung. Ausnahmsweise kann sich aus § 242 BGB etwas anderes ergeben, z.B. wenn Musik und Text infolge großer Bekanntheit der Werkverbindung vom Publikum als Einheit bewertet werden oder wenn der Text zugleich die Erinnerung an die Musik auslöst und umgekehrt (BGH GRUR 1964, 330 - Subverleger).

1. Gesellschaft bürgerlichen Rechts

Nach h.M. entsteht durch die Werkverbindung zwischen den Urhebern eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts i.S.d. §§ 705 ff. BGB (Dreyer in HK-UrhR § 9 Rn 17). Im Zweifel geschieht dies stillschweigend. Die Gründung einer Gesellschaft i.S.d. §§ 705 ff. BGB erfolgt durch einen Vertrag, in dem sich die Parteien verpflichten, einen gemeinsamen Zweck durch die Leistung von dazu bestimmten Beiträgen zu fördern. Bei der Werkverbindung besteht der gemeinsame Zweck in der Verbindung zur gemeinsamen Verwertung. Die zur Erreichung dieses Zwecks zu leistenden Beiträge bestimmt § 9 UrhG: die Einwilligung zu Veröffentlichung, Verwertung oder Änderung des Werkes. Die Einwilligung i.d.S. stellt eine dingliche urheberrechtliche Verfügung dar. Zu darüber hinausgehenden Beiträgen sind die Urheber nicht verpflichtet, es sei denn, sie wollen es und drücken diesen Willen in verbindlicher Weise im Gesellschaftsvertrag aus. Es gelten die allgemeinen Grundsätze zur Auslegung von Verträgen (§ 157 BGB).

Zusammen mit der obligatorischen Gesellschaftsgründung bringen die Urheber regelmäßig auch Verwertungsrechte in das Gesellschaftsvermögen ein. Dies ist zwar nicht zwingend, folgt jedoch in der Regel schon aus der Werkverbindung sowie aus der im Urheberrecht verbreiteten Vermutung, dass die Einräumung von Nutzungsrechten bereits im schuldrechtlichen Vertrag enthalten ist. Dabei finden die Grundsätze der Zweckübertragungslehre (§ 31 Abs. 5 UrhG) Anwendung. Wie bereits erläutert, bleiben die Urheber grundsätzlich befugt, ihr Werk weiterhin separat zu verwerten. In Anwendung der Zweckübertragungslehre bedeutet dies, dass die Urheber im Zweifel nur einfache Nutzungsrechte in die Gesellschaft einbringen. Ausschließliche Nutzungsrechte kommen nur bei ausdrücklicher Vereinbarung in Betracht. Die Art der eingeräumten Nutzungsrechte richtet sich vorbehaltlich einer ausdrücklichen Regelung nach dem geplanten Umfang der Verwertung.

Im Übrigen gelten die allgemeinen Grundsätze der Gesellschaft (§§ 705 ff. BGB). Die Urheber können ihr Verhältnis jedoch abweichend regeln, soweit nicht zwingendes Recht tangiert wird (wie z.B. der Kernbereich des Urheberpersönlichkeitsrechts).

2. Anspruch auf Einwilligung in die Veröffentlichung, Verwertung und Änderung der verbundenen Werke

a) Eine Einwilligung ist gemäß § 183 BGB eine vorherige Zustimmung. Eine nachträgliche Zustimmung (Genehmigung, § 184 Abs. 1 BGB) ist nicht ausreichend. Die Einwilligung in die Veröffentlichung, Verwertung und Änderung eines Werkes durch den Urheber ist eine Verfügung im urheberrechtlichen Sinn und hat somit dingliche Wirkung (gegenüber jedermann).

Der Begriff der Veröffentlichung ergibt sich aus § 6 Abs. 1 UrhG.

Unter Verwertung versteht man alle Arten der körperlichen und unkörperlichen Verwertung iSd. § 15 UrhG, einschließlich unbekannter Nutzungsarten. Darüber hinaus auch den Abschluss und die Kündigung von Verlagsverträgen (BGH GRUR 1982, 744 - Verbundene Werke), die Geltendmachung der Ansprüche aus §§ 32, 32a UrhG sowie der sonstigen Rechte aus §§ 25 - 27 UrhG und die gesetzlichen Vergütungsansprüche (Dreyer in HK-UrhR § 9 Rn. 32).

Änderungen des Werkes umfassen auch Änderungen des Titel und der Urheberbezeichnung (vgl. § 39 UrhG). b) Der Anspruch auf Einwilligung in die Veröffentlichung, Verwertung und Änderung der verbundenen Werke besteht nur, wenn dies dem anderen nach Treu und Glauben zuzumuten ist. Die Frage, ob dem anderen die Einwilligung zumutbar ist, erfordert eine Interessenabwägung. Grundsätzlich ist die Zumutbarkeit zu bejahen, es sei denn, es stehen erhebliche urheberpersönlichkeitsrechtliche, moralische oder auch wirtschaftliche Interessen entgegen. Die Gründe müssen jedoch gewichtig sein, schließlich hat der andere der Werkverbindung seinerseits zugestimmt und ist durch den Gesellschaftsvertrag verpflichtet, die gemeinsame Verwertung zu fördern. Eine bloße Beeinträchtigung von Gewinnerwartungen wird daher nicht ausreichen, anders jedoch, wenn die Einwilligung eine langjährige Verlagsbeziehung und damit eine essentielle Wirtschaftsgrundlage des Urhebers gefährden würde (BGH NJW 1983, 1193 - Verbundene Werke). Verletzungen des Kernbereichs des Urheberpersönlichkeitsrechts führen regelmäßig zur Unzumutbarkeit.

c) Verweigert ein Urheber die Einwilligung, obwohl er nach Treu und Glauben verpflichtet ist, so muss der andere ihn auf Abgabe der Einwilligung verklagen. Das der Klage stattgebende Urteil ersetzt die Einwilligung (§ 894 ZPO).